Auf der Suche nach Haltung oder Orientierung in Sachen DeepSeek?

Wie soll man mit den DeepSeek-Modellen aus China umgehen - ignorieren, nutzen, boykottieren? Vielleicht wäre ein pragmatischer Ansatz im Interesse Deutschlands und Europas.

Es wird wohl keiner erwarten, dass im internationalen Wettbewerb um die Vorherrschaft in Sachen KI mit fairen Mitteln gekämpft wird. Wir sprechen hier über eine Entwicklung, die nach Meinung auch gestandener KI-Skeptiker (Hinton, Harari, Lanier, Bostrom et al.) das Potenzial hat, Gesellschaft und Wirtschaft noch stärker umzukrempeln als es die industrielle Revolution mit ihren verschiedenen Phasen (Mechanisierung, Elektrifizierung, Automatisierung, Digitalisierung) tat.

Deja-Vu

Das Muster, das wir gerade mit DeepSeek erleben, ist bekannt: Eine Firma in einem Land aus Kultur- oder Wirtschaftsraum A entwickelt eine vielversprechende Technologie und etabliert sie. Eine andere Firma aus einem anderen Land innerhalb eines anderen Kultur- oder Wirtschaftsraums B kopiert die Technologie, verbessert sie und nimmt dann die Chance wahr, dank effizienteren Produktionsmethoden die Marktführerschaft zu übernehmen. Und im Zweifel scheut keiner davor zurück, auf zweifelhafte Methoden zurückzugreifen, um sich Vorteile zu verschaffen: Es wird spioniert, kopiert, sabotiert und sanktioniert, was das Zeug hält. Geschehen in der Autobranche, Unterhaltungselektronik, Halbleiter-Industrie, Smartphones/Mobile und anderen Bereichen. Oft begann es irgendwo in der westlichen Hemisphäre und endete dann mit – zumindest zeitweiliger – Dominanz in der östlichen.

Warum sollte es mit KI anders sein?

Auf der Suche nach Haltung

Unsere Kunden und Partner (und wir natürlich auch) stellen sich dann die Frage, wie man mit solchen Fällen wie DeepSeek aus China umgeht. Offensichtlich hat das neue LLM Potenzial, insbesondere weil es bei erheblich geringerem Ressourcenverbrauch in manchen Bereichen den aktuell führenden, teuren und proprietären Systemen (wie o1 von OpenAI) Paroli bieten kann. Zudem wird das DeepSeek R1-Modell als Open Source angeboten. Wobei Open Source in diesem Kontext Augenwischerei ist, denn bei einem fertiggestellten Modell, das als Datei irgendwo zum Download oder als webbasierte SaaS-Lösung angeboten wird, ist prinzipbedingt nicht sauber nachweisbar, mit welchen Methoden und Daten ein LLM trainiert wurde.

Etliche Unternehmen und Behörden, die sich eher dem westlichen Wirtschaftsraum zugehörig fühlen, nehmen eine Protesthaltung ein und boykottieren die chinesischen Entwicklungen. Einerseits aus einer diffusen Angst, dass da vielleicht Spionage oder Sabotage lauert, andererseits aus moralisch-ethischen oder politisch motivierten Gründen, weil „dem Feind“ keine Unterstützung geboten werden darf.

Aber hilft uns Verweigerung, Ablehnung, Empörung in Deutschland und Europa, wenn es um China geht? Wir nutzen schließlich auch OpenAI, obwohl das Unternehmen mit unlauteren Mitteln Trainingsdaten aus allen Bereichen sammelt, auf Copyright pfeift, Ethik und Sicherheit samt Teams über Bord wirft, um von Profit getrieben uneingeschränkte Marktführerschaft zu erreichen.

Ich erlebe als Microsoft-Skeptiker gerade einen seltenen Moment: Ich finde das aktuelle Verhalten der Redmonder bei dieser Debatte in einem Aspekt absolut einleuchtend: Dort bietet man das DeekSeep-Modell bereits als Lösung auf der Azure-Plattform an, um es zu erkunden, Erkenntnisse und Nutzen zu gewinnen (und natürlich, um Geld zu verdienen).

Zielorientierter Pragmatismus

Bei intercorp versuchen wir, das ebenso pragmatisch anzugehen. Letzten Endes geht es uns um Lösungen für Probleme - unsere eigenen und die unserer Kunden. Die starke Abhängigkeit von Unternehmen aus den USA, die sich bei uns über die letzten Jahrzehnte entwickelt hat – sowohl im öffentlichen Sektor als auch in der Privatwirtschaft – sollte man als strategisches Problem ernst nehmen, insbesondere vor dem Hintergrund der neuen US-Regierung, die Europa nicht mehr als Partner auf Augenhöhe behandelt. Eigentlich braucht Europa eine gewaltige, schnelle, unbürokratische wirtschaftliche Umwälzung mit eigenen, unabhängigen Lösungen.

Haben wir aber (noch) nicht, also analysieren und nutzen wir – mit aller gebotenen Vorsicht und Skepsis – die Werkzeuge, die uns zur Verfügung stehen. Auch solche, die aus China kommen.

Konkret bedeutet das: DeepSeek wird evaluiert und in Szenarien und Setups eingesetzt, in denen das Schadenpotenzial gering oder nicht vorhanden ist. Von einer Nutzung der von DeepSeek angebotenen SaaS-Anwendungen, die eine Blackbox sind und bei denen wir nicht nachvollziehen können, was mit unseren Daten passiert, raten wir ab. Aus den gleichen Gründen, aus denen wir davon abraten, OpenAI zu nutzen: Datenschutz und Datenhoheit.

Wer also DeepSeek risikofrei in einem lokalen, von China losgelösten Kontext mit uns ausprobieren möchte, ist herzlich willkommen.