Warum sollten Nutzerfreundlichkeit, Interface Design und User Experience selbstverständlich sein?
Komplexe Zusammenhänge in einem System erkennen sowie Interaktionen zwischen den Systemen entwerfen und optimieren ist die Disziplin des Interaction Design.
Eine Software ist in aller Regel nur ein Bestandteil eines größeren, komplexen Systems. Und bevor man eine Software programmieren kann, sollte zuerst einmal Klarheit darüber herrschen, welche Rolle das Programm im Gesamtbild spielt – wie und warum der Anwender mit dem gesamten System interagiert.
Hundeleine: Freilaufen des Hundes unterbinden, angemessenen Bewegungsradius sicherstellen, Unfallgefahr für den Leinenführer minimieren, Reiß- und Bissfestigkeit berücksichtigen. Also die Rolle der Leine in einem größeren Kontext begreifen.
CRM-Software: Soll Kommunikationsprozesse automatisieren und dokumentieren, Daten aggregieren, Mitarbeitern für Beratungszwecke relevante Informationen zur Verfügung stellen – damit umsatzrelevante Prozesse zielgerichtet und zeitsparend ausgeführt werden.
Das Interface, die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine, sollte sowohl die Bedürfnisse der Maschine als auch die des Menschen berücksichtigen. Das verstehen wir unter Interface Design.
Damit ein Anwender einer Systemkomponente in der Lage ist, diese zu bedienen, sollte sie möglichst selbsterklärend sein, verständliche Rückmeldungen liefern, erwartungskonform reagieren und Redundanz vermeiden.
Hundeleine: Stabile Griffschlaufe, damit der Hundeanwender den Hund sicher halten kann. Ausfahrbare Leine mit Rückholfunktion ist praktisch, damit sich der Hund in einem gewissen Radius frei bewegen kann und die Leine weniger anfällig ist fürs Verheddern.
Der Haken zum Einklinken ins Hundehalsband sollte leicht bedienbar sein, gleichzeitig aber ausreichend fest, damit ein unerwünschtes Ausklinken im falschen Moment nicht möglich ist.
CRM-Software: Eindeutige, verständliche Bezeichnungen für Eingabefelder. Schnelle und verständliche Rückmeldung bei Aktivität des Systems (z.B. beim Vorgang des Speicherns von Daten). Sinnvolle Zusammenfassung wichtiger Eingabefelder auf einem Bildschirm, um Zwischenschritte zu vermeiden. Klare Fehlermeldungen mit Handlungsanweisungen, wenn der Nutzer etwas falsch macht oder das System nicht richtig funktioniert.
Unter User Experience versteht man, wie ein Anwender die Nutzung eines Produktes erlebt. Ist sein Erlebnis überwiegend positiv, wird er es gerne nutzen. Wenn ihn hingegen zu viele Aspekte stören, macht sich Unzufriedenheit breit und die Effektivität leidet.
Kür, aber nicht zu unterschätzen hinsichtlich Effektivität und Akzeptanz einer Systemkomponente: Ihre Nutzung muss nicht nur zum Ziel führen, sondern der Weg dorthin sollte so erfreulich wie möglich gestaltet werden. Erfreulich bedeutet: Man nutzt das Produkt gerne, weil es schön aussieht. Man nutzt es gerne, weil es Arbeit abnimmt. Man nutzt es gerne, weil es Zeit spart. Man nutzt es gerne, weil es einem das Leben erleichtert.
Hundeleine: Wenn sie hässlich ist, will sie keiner nutzen, geschweige denn kaufen. Wenn sie sich dauernd verheddert, auch wenn sie funktioniert, ärgert sich der Nutzer. Wenn der Griff nicht ergonomisch geformt ist, wird die Benutzung unbequem und der Nutzer entwickelt Blasen an den Fingern. Hat die Leine eine leuchtende Signalfarbe, kann sie bei Dämmerung einen zusätzlichen Schutz durch gute Sichtbarkeit bieten.
CRM-Software: Wenn sie hässlich ist (zum Beispiel unangenehme Farbgebung), will sie keiner nutzen. Wenn der Nutzer dauernd eine Lupe nutzen muss, um Hilfetexte zu lesen, wird er sich auf Dauer ärgern. Wenn Ladevorgänge, z.B. beim Aufrufen von Funktionen, zu lange dauern, empfindet der Nutzer den Umgang mit der Software als Zeitverschwendung. Wenn der Nutzer nach einer Interaktion nicht erkennt, ob das Programm seine Eingaben akzeptiert hat, entsteht Unsicherheit – das nagt am Vertrauen in die Zuverlässigkeit.
Vertrauen ist gut, Kontrolle noch besser
Auch wenn wir unser Bestes geben, Interaction Design, Interface Design und eine positive User Experience unter einen Hut zu bringen: Manchmal sieht man als Entwickler den Wald vor lauter Bäumen nicht. Bestimmte Eigenarten von Software sind für uns selbstverständlich, für Nicht-Programmierer keineswegs. Das klassische Beispiel: Einen computerunerfahrenen Anwender bitten, die Maus nach oben zu bewegen. Wenn dieser nicht etwa den Mauszeiger auf dem Bildschirm bewegt, sondern das Eingabegerät in die Höhe hebt, ist kurz ein Grund zum Schmunzeln. Aber vielmehr ist es ein Grund, darüber nachzudenken, ob unsere Erklärung, wie mit dem Computer zu interagieren ist, im Gesamtkontext angemessen ist.
Und deshalb ist jemand, der die Maus hochhebt, statt den Mauszeiger zu bewegen, mindestens genauso wichtig wie die Person, die die Maus erfunden hat. Denn der unerfahrene Mausbenutzer deckt auf, ob die Maus so leicht zu bedienen ist, wie sich der Erfinder das gedacht hat.
Unbeteiligte Dritte in das Testen von Software einzubeziehen ist ein wichtiger Bestandteil der Entwicklung und wird von uns praktiziert, wenn unsere Auftraggeber damit einverstanden sind.
Zwar alte Schinken, aber deshalb nicht weniger zutreffend: Die „Don’t make me“-Bücher von Steve Krug. So sehen wir das auch – je weniger man nachdenken muss bei der Bedienung eines Systems, desto besser.
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Telefon: +49 (0)9203-996-61